Die neue Regierung hat sich in ihrem Programm vorgenommen, die Verwaltung bürgerfreundlicher, einfacher und zugänglicher zu machen. Das ist ein wunderbares Vorhaben, das für jeden und jede im Land gelten sollte, egal ob Stadt oder Land, Frau oder Mann, arm oder reich.

„Vor dem Termin hatte ich schon große Angst, da ich nicht wusste, was da auf mich genau zukommt. Durch die Begleitung war ich einfach sicherer. Währenddessen tat es gut zu wissen, dass jemand neben mir sitzt, und die Angst war weg“, erzählt ein Mann aus Linz nach einem Termin am Arbeitsamt. Aus einer Studie zur Gesundheitsversorgung, die Menschen an der Armutsgrenze über ihren Alltag befragte, stach ein starker Wunsch heraus: Die Möglichkeit, dass jemand mich auf Amt, Behörde, Spital oder Begutachtung begleitet, dass „einer mitgeht“. Als wichtige Strategie hat sich die „Begleitung“ herauskristallisiert. Dabei geht es nicht um Beratung oder Vertretung, sondern um ein – stilles – Mitgehen. Die Situation ändert sich, wenn statt zwei, drei Personen im Raum sind. Wenn jemand einfach mitgeht, macht das große Unterschiede: für die Betroffenen, die nicht alleine bleiben, für die mitgehende Person, die Einblicke in oft unbekannte Lebenslagen bekommt, für die zuständige Person am Amt, die das eigene Verhalten stärker reflektiert. Besonders aber hilft es Personen in schwierigen Situationen. „Ich wurde zu einem für mich belastenden Termin begleitet. Die Begleitperson strahlte sehr viel Ruhe und Stärke aus, sodass ich mich im Vorgespräch schon beruhigen konnte. Ich konnte den Termin leichter durchstehen. Ich fühlte mich in meiner Person wertgeschätzt, verstanden und besser wahrgenommen“, beschreibt eine junge Frau ihre Erfahrungen. Arbeitsmarktservice, Sozialamt, Pensionsversicherung, Gutachten, Arzttermine – all diese Orte umfassen die Mitgeh-Angebote. Beim „mitgehn“ unterstützen Freiwillige als stille Begleiter Menschen bei ihren Terminen auf Ämtern, Behörden oder in Gesundheitseinrichtungen.
Dieses bewusste Begleiten ist jetzt österreichweit in einem Pilotprojekt ausprobiert worden. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend. Durch diese Maßnahme werden Menschen dabei unterstützt, besser zu ihren Ansprüchen zu kommen und Termine mit weniger Ängsten, Stress und psychosozialem Druck wahrzunehmen. Die Ergebnisse sind gleichzeitig auch verstörend. Weil sie zeigen, wie schnell man auf Ämtern schlecht behandelt werden kann, besonders wenn man ohne Geld und Macht ist.
Bei Verwaltungsreform und Demokratiepaket dürfen diejenigen nicht vergessen werden, die eine gute Verwaltung und gleichen Zugang zum Recht am meisten brauchen. Hier werden besonders Bevölkerungsgruppen eingebunden, die sonst draußen stehen, zum Beispiel mit „client councils“ auf den Ämtern, wie wir sie aus den Niederlanden kennen. Sie können Einblicke und Lösungen erbringen, an die vorher nicht gedacht wurde. Das wäre eine lohnende Initiative für die die neue Regierung, „jetzt das Richtige zu tun“.
Missachtung drückt das Selbstvertrauen. Wir werden unsicherer und immer leiser. „Jetzt bin ich mutiger, wenn ich zum Amt gehe“, sagt eine Frau aus der Steiermark, die das Projekt „mitgehn“ nützte. Bei Terminen auf Ämtern kann man eine Vertrauensperson mitnehmen. Das darf die Behörde nicht verwehren. Nach einem Vorsprechen am Amt, bei dem die betroffene Frau nicht alleine war, erzählte der kleine sechsjährige Sohn: „Heute war das erste Mal nach einem solchen Termin, dass meine Mama nicht weinend nach Hause gekommen ist.“
Erschienen in der Presse, Schön, wenn „einer mitgeht“, 10.März 2025.