Zersplitterte Kompetenzen: Bildung kein Thema für den Finanzausgleich?

Regionale Schulcluster für besseres und gerechteres Lernen.

Die Finanzausgleichsverhandlungen scheinen sich derzeit auf die Kompetenzverteilung im Gesundheitsbereich zu konzentrieren. Diskutiert wird eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems. Zurecht wird dabei auf die derzeit bestehende ineffiziente Kompetenzverteilung zwischen Bundesländern und Krankenkassen (Zuständigkeit der Länder für die intramurale Versorgung und der Krankenkasse für die extramuralen) verwiesen.

Das Bildungssystem ist von einer ähnlich starken Zersplitterung der Kompetenzen wie das Gesundheitssystem gekennzeichnet. Die Gemeinden sind als Schulerhalter für die Kosten der Errichtung und Erhaltung von Pflichtschulen (Volksschulen, Mittelschulen, Polytechnische Schulen, Sonderschulen) zuständig. Dies schließt die Bereitstellung von Lehrmaterialen ein und kann die Unterstützung von sozial benachteiligten Schülern beinhalten. Hinzukommen können Angebote der Nachmittagsbetreuung in Form von Horten sowie Angebote der Schulpsychologie und Schulsozialarbeit. Letztere Aufgaben werden aber auch von den Ländern und dem Bund übernommen. Länder und Bund sind für das Lehrpersonal und den Betrieb der Schulen zuständig, der Bund zusätzlich für die Errichtung und die Erhaltung der Bundesschulen verantwortlich. Diese Zersplitterung von Kompetenzen führt ähnlich wie im Gesundheitsbereich dazu, dass die in der Bundesverfassung (Bundesverfassungsgesetz, Artikel 14, Absatz 5a) verankerten Bildungsziele nicht erreicht werden. Diese Ziele umfassen zum einen die bestmögliche Förderung der Talente und Fähigkeiten jedes Kindes unabhängig von seiner Herkunft und den sozialen und ökonomischen Verhältnissen seiner Familie sowie die Vermittlung von Grundwerten und soziales und demokratisches Lernen.

Die Finanzausgleichsverhandlungen sollten daher genutzt werden, auch die Kompetenzzersplitterung im Bildungsbereich aufzuheben. Eine Lösung wäre die Einrichtung von regionalen Schulclustern, die alle Schulformen, also Volksschule, Mittelschule, Sonderschule, Polytechnische Schule, BMS, AHS und BHS, umfassen. Es handelt sich dabei um Bundeseinrichtungen. Die Schulcluster erhalten personelle und finanzielle Autonomie. Bei der Mittelzuweisung wird die soziale Zusammensetzung der Schüler:innen berücksichtigt (sozialindizierte Mittelvergabe). Schulcluster mit mehr sozial benachteiligten Schüler:innen erhalten mehr finanzielle Mittel, wie das bereits seit dem letzten Bildungsreformgesetz 2017 vorgesehen ist. Da jedes Schulcluster eine bestimmte kritische Größe hat, wäre gewährleistet, dass ausreichend unterstützendes und administratives Personal zur Verfügung steht. Implementiert werden könnte auch ein oft gefordertes mittleres Management. Wohnortnahe Versorgung im Volksschulbereich könnten dezentrale Standorte erreichen. Fest vorgesehen werden sollten auch ganztägige Schulformen. Größe, sozialindizierte Mittelzuweisung und Ganztägigkeit würden soziales und demokratisches Lernen fördern. Die Schulcluster wären zudem ein besseres Abbild der Gesellschaft durch eine größere Diversität.

Schulcluster würden somit Rahmenbedingungen bereitstellen, die es Schulen ermöglichen, die in der Verfassung verankerten Bildungsziele zu erreichen. Gleichzeitig würden sie das derzeitige Kompetenzwirrwarr im Bildungssystem auflösen.

Johann Bacher ist Professor für Soziologie & empirische Sozialforschung an der Johannes Kepler Universität Linz.
Erwin Greiner ist ehemaliger Schuldirektor, engagiert sich für Teach for Austria und „BildungGrenzenlos“
Martin Schenk ist Sozialexperte und Mitbegründer der Armutskonferenz.
Heidi Schrodt ist Vorsitzende der Initiative „BildungGrenzenlos“ und langjährige Gymnasiumsdirektorin Wien.

Erschienen in: Der Standard, Kommentar der Anderen, 11.01.2023

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.